Porträt

Ladies, wir müssen über Geld sprechen!

Foto: Privat

Gerade Frauen fehlt es oft an Finanzwissen. Viele trauen sich nicht an lukrative Möglichkeiten der Geldanlage heran. Andere haben überhaupt keinen Überblick über ihre Finanzen. Die Hamburgerin Anke Pauli möchte das ändern und hat eine Online-Plattform zum Thema gegründet.

Jedes Mal, wenn Anke Pauli nach Hause in ihre Wohnung in St. Georg kommt, im Flur Jacke und Schuhe auszieht, fällt ihr Blick auf zwei kleine Spardosen: eine gelbe in Briefkastenform und ein goldenes Plastikschwein. Dann steckt sie das Wechselgeld vom letzten Einkauf hinein. Als ihr Mann und sie neulich die randvollen Spardosen plünderten, staunten sie nicht schlecht. „Da waren mehr als 300 Euro drin“, erinnert sich Anke Pauli. „Das zeigt doch: Kleinvieh macht auch Mist.“

Über solches „Kleinvieh“ kann sich die 44-Jährige ehrlich freuen. Dabei empfindet sich die gebürtige Schwäbin nicht als knickerig: „Ich achte einfach auf mein Geld.“ Einen unverhofften Geldsegen verprasst sie daher nicht einfach, sondern überlegt sich genau, was sie damit anstellen möchte. Für den nächsten Urlaub nutzen? Oder langfristig investieren?

Das Thema Finanzen treibt Anke Pauli um. Sie liest viel dazu, tauscht sich mit Profis aus – und möchte ihr Wissen und ihre Kontakte nun weitergeben. Seit Mai 2019 versammelt sie Fachfrauen zum Thema Geld auf ihrer Online-Plattform geldfreundinnen.de. Nutzerinnen und Nutzer können sich über die Seite informieren, sich Anregungen holen und um Rat fragen.

Niemand braucht zu fürchten, nicht ernst genommen zu werden. „Es ist ein geschützter Raum, in dem jede Frage gestellt werden darf.“ Zum Umgang mit Geld etwa, zum Sparen, zu Geldanlage, Vermögensaufbau, Gehaltsverhandlung. Geld in Beziehungen sei ebenfalls ein großes Thema – in vielen Partnerschaften noch ein Tabu, das gerade Frauen ungern ansprechen.

Außer den Kanälen von derzeit sieben Expertinnen („Top-Spaces“), die „Börse rockt!“ heißen, „Finanzverstand“ oder „Klug mit Geld“, werden auf geldfreundinnen.de „Webinare“ und ähnliche Finanzbildungsmöglichkeiten der Expertinnen bundesweit angeboten, außerdem Veranstaltungen, an denen Anke Pauli selbst beteiligt ist. Die Userinnen können sich untereinander austauschen. Anke Pauli ist sicher, dass sie mit ihrem Ansatz den Nerv der Zeit getroffen hat. Sie erhält viel positives Feedback, mehr als 300 Mitglieder haben sich seit Mai registriert, die Zahl der Seitenaufrufe ist mittlerweile knapp dreimal so hoch wie zu Beginn. Im Markt ist Bewegung, immer mehr Blogs und Magazine werden gelauncht, auch der Münchener Finanzen Verlag bringt gerade sein Magazin „Courage“ („Geld, Karriere, Lebenslust“) auf den Markt.

Dass insbesondere Frauen sich oft nicht für das Thema Finanzen interessieren oder sich keine Gedanken um die eigene finanzielle Zukunft machen, sondern sich auf Partner oder Partnerin verlassen, kann Anke Pauli nicht nachvollziehen. „Es ist immens wichtig, finanziell unabhängig zu sein und für sich selbst zu sorgen.“ Mit ihren „Geldfreundinnen“ möchte sie niedrigschwellig dagegen steuern, Frauen emanzipieren, sich zu kümmern und einen Beitrag zur finanziellen Aufklärung in der Gesellschaft leisten. Idealerweise sollte Finanzbildung Thema in der Schulzeit sein, findet sie.

Auf die Idee zu ihrer Plattform kam Anke Pauli, nachdem sie selbst gezwungen war, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen. Damals lebten sie und ihr Mann gerade in Taiwan, zahlten nicht in die Deutsche Rentenversicherung ein. „Wir haben zwar beide eine zusätzliche private Rentenversicherung, aber da wird nicht genug bei rumkommen“, so Anke Pauli. Also vereinbarte sie in Hamburg einen Termin bei der Rentenversicherung, um die Möglichkeiten zu besprechen. Ergebnis: „Als Freiberufler hätten wir privat einzahlen können, aber das hätte sich unserer Ansicht nach nicht gelohnt.“ Also recherchierte sie, wie das Paar anderweitig Vermögen aufbauen könnte. Und stieß schnell auf ETF, also börsengehandelte Investmentfonds, und Aktien.

„Gerade in Niedrigzinsphasen, wie wir sie aktuell erleben, muss man Erspartes klug anlegen, denn sonst ist es nach ein paar Jahren durch die Inflation weniger wert“, so Anke Pauli. Noch tun das viel zu wenige. Zwar legen die meisten Menschen regelmäßig Geld zurück – vorrangig für schlechte Zeiten, wie eine Studie in sechs europäischen Ländern von JP Morgan Asset Management kürzlich ergab. Unterschiede zwischen Frauen und Männern zeigten sich bei der Befragung vor allem bei der Kapitalanlage. Während nur etwa jede fünfte Frau am Kapitalmarkt investiert, ist es bei den Männern fast jeder Dritte.Frauen schrecke vor allem das Auf und Ab an den Börsen ab, heißt es in der Studie.

Fehlende Risikobereitschaft, aber auch wenig Zeit und Muße, sich mit dem Thema zu beschäftigen, seien typische Hürden für Frauen, weiß Anke Pauli. „Für welche Art der Geldanlage man sich entscheidet ist individuell. Es ist wichtig, sich damit wohl zu fühlen, damit man ruhig schlafen kann.“ Das „magische Dreieck“ der Geldanlage bewegt sich zwischen Rentabilität (Rendite), Sicherheit (Risiko) und Liquidität (Verfügbarkeit des Geldes). „Dass alle drei Punkte zu 100 Prozent erfüllt werden können, ist nie der Fall“, so Pauli. Wer bereits einen hohen Betrag angespart hat, aber nicht in Wertpapiere anlegen möchte, könne alternativ über eine Immobilie als Kapitalanlage nachdenken. „Hauptsache, jede und jeder tut etwas!“

Dass sie selbst sich mal mit diesen Themen beschäftigen würde, war noch vor ein paar Jahren für sie undenkbar. Nach der Ausbildung zur Industriekauffrau hatte Anke Pauli Übersetzerin für Englisch und Französisch studiert und arbeitete danach erst ein Jahr in Paris, dann in Dublin und anschließend vier Jahre in Barcelona. In Hamburg war sie sieben Jahre lang in einem mittelständischen Unternehmen Projektkoordinatorin für Spanien und Portugal. Dann folgte die Zeit in Taiwan und schließlich die Rückkehr in die Hansestadt mit dem Sprung in die Selbständigkeit und geldfreundinnen.de. „Ich habe gemerkt, dass nicht nur ich keine Ahnung habe von Finanzthemen, auch in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis gab es niemanden, der sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigt hat – oder beschäftigen wollte. Es gibt da große Vorurteile und Berührungsängste.“

Anke Pauli las sich ein, suchte passende ETF heraus, eröffnete ein Wertdepot, kaufte Aktien. „Natürlich habe ich anfangs auch Fehler gemacht und zum Beispiel Aktien viel zu früh verkauft – das gehört dazu.“ Als Aktionärin zu Hauptversammlungen eingeladen zu werden, auf denen jeder Fragen stellen kann, findet sie heute noch „ungemein spannend“.

Auch zu Hause gehen ihr Mann und sie seither bewusster mit Geld um. Setzen sich ein Monatsbudget für das Haushaltsgeld, vermeiden Spontankäufe, besprechen größere Anschaffungen. Einen „Notgroschen“ für Reparaturen oder Phasen, in denen weniger verdient wird, haben sie auf einem Extrakonto liegen. „Als Faustregel gilt: Man sollte möglichst drei bis sechs Monate lang davon leben können“, so Pauli. ETF-Sparpläne haben die beiden langfristig angelegt, sie halten Aktien von einzelnen Unternehmen und haben einen kleinen Anteil ihres Geldes in Gold investiert. Auch alternative Geldanlagemöglichkeiten wie P2P-Investitionen, bei denen Privatpersonen über Plattformen Privatkredite an andere Nutzer vergeben, habe sie ausprobiert. „Da sind höhere Renditen möglich, jedoch ist auch das Risiko höher. Letztendlich war das nichts für mich.“

Ob sie auch mal – ganz unvernünftig – über die Stränge schlage? Anke Pauli überlegt recht lange. „Natürlich gönne ich mir auch mal was. Aber eine Impulskäuferin bin ich definitiv nicht.“ Wofür sie zuletzt einmal zu viel Geld ausgegeben habe? Sie zeigt auf ihre Handtasche. „Wenn ich teure Dinge kaufe, dann sind die allerdings hochwertig und halten auch lange.“ Ihr Tipp: „Niemals auf Pump kaufen, lieber gezielt auf einen Wunsch sparen. So behält man den Überblick.“ Und letztendlich, so Anke Pauli, sollte Geld verdienen, Geld anlegen und Geld ausgeben Spaß machen.