Kolumne

Heimliche Leidenschaften: Warum ich gerne Tierfilme sehe

Dokumentationen über Eisbären oder Königspinguine gelten nicht als cool, dennoch faszinieren sie viele Menschen. Tierfilme versprechen Abenteuer und zeigen fremde Welten, die kaum jemand gesehen hat.

Wenn Mantarochen wie grinsende Gespenster durch den Ozean fliegen, über ihnen das sich im Wasser brechende Sonnenlicht, unter ihnen ein großes blaues Nichts – dann ist für mich Feierabend. Das ist jetzt eher uncool, aber ich gebe zu: Ich liebe Tierfilme. Vor allem die, die im oder am Wasser spielen.

Was mich daran reizt? Die durchweg ästhetischen Bilder von Arten, die vermutlich kaum ein Mensch, außer eben diesen Dokumentarfilmern, jemals in natura sehen wird. Es ist eine fremde, eine Traumwelt, die da gezeigt wird.

Eine, die scheinbar nichts mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun hat. Und doch weiß man ja: Dies alles ist eine Welt. Endreihenhaus, DVD-Sammlung, Flachbildfernseher hier – Tiefseequallen, die aussehen wie Raumschiffe mit Tentakeln dort. Faszinierend.

Ich weiß nicht, wann diese Leidenschaft begann. Vielleicht kam sie mit Heinz Sielmann und seinen „Expeditionen ins Tierreich“. Die Naturfilmreihe gibt es schon seit 1965, anfangs noch in Schwarz-Weiß, erst seit 1968 zeigt der Norddeutsche Rundfunk sie in Farbe.

Da war ich allerdings noch nicht auf der Welt. In den 80ern aber habe ich etliche Folgen im Fernsehen geguckt (und das war, nicht nur weil Fernsehen bei meinen Eltern als pädagogisch nicht wertvoll galt, jedes Mal ein Highlight).

Damals wie heute versprachen die Tiergeschichten Abenteuer, sie deckten Geheimnisse auf und machten die Vorstellung, nur ein kleiner Teil des großen Ganzen zu sein, aufregender. Denn irgendwo auf diesem Planeten gingen gerade Killerwale auf Jagd, hüpften Lachse kilometerweit Flüsse hinauf, rissen Löwenrudel Antilopen.

Zu mehreren wollten wir ins Freilichtkino, hatten uns einen Film ausgesucht, ich glaube, einen Actionfilm. Wir hatten Decken, Picknicksachen und kaltes Bier dabei. Dann startete der Film – und zu sehen war ein riesiger Eisbär, der wie in Zeitlupe durch das Polarmeer schwamm.

Während ich gebannt die dicken weißen Pranken beim Rudern beobachtete, wurden meine Begleiter innerhalb von Sekunden ungehalten. Sie dachten, ich hätte sie ausgetrickst, um den Film sehen zu können. Tatsächlich war es ein Versehen und wir verließen das Freilichttheater.

Mein Einwand, dass auch Tierfilme aktionsreich sein können (Orcas! Tiefsee!), wurde ignoriert. Um ehrlich zu sein, kannte ich den Film ohnehin schon. Was allerdings nicht heißt, dass ich ihn nicht noch ein x-tes Mal gucken würde.

Wer weiß denn zum Beispiel, dass Königspinguinbabys erst nach einem Jahr ihr Erwachsenengefieder entwickeln? Oder dass Walhaie Vegetarier sind und trotzdem 3600 Zähne haben? So was lernt man durch Tierfilme.

Die Kolumne erschien in der Reihe „Heimliche Leidenschaften“ in der Welt am Sonntag.